Praxisbeispiel

Begrüßen Sie Duffy, einen jungen ausgewachsenen Hund mit chronischer Dünndarmdiarrhöe

Darf ich vorstellen: DUFFY

Ein 2 Jahre alter, kastrierter Berner Sennenhund-Rüde

  • Duffy kommt heute wegen intermittierender chronischer Dünndarmdiarrhöe in die Praxis. Obwohl der Besitzer berichtet, dass er nur zwei- bis dreimal am Tag Stuhlgang hat und keinen Drang verspürt, hat er einen massiven, weichen Stuhlgang. Der Besitzer berichtet außerdem von Durchfall und Blähungen, die in den letzten sechs Monaten immer wieder aufgetreten sind. Besondere Sorgen bereitet dem Besitzer heute Duffys Lethargie, die vor zwei Tagen begann.
  • Duffy bekommt derzeit ein proteinreiches Trockenfutter, das für alle Lebensphasen geeignet ist und in einem Zoofachgeschäft gekauft wird. Der Besitzer berichtet, dass der Hund einen guten Appetit hat. Duffy erhält das ganze Jahr über einmal im Monat ein Medikament zum Schutz vor Herzwürmern, Zecken, Flöhen, Spulwürmern und Hakenwürmern.
  • Die physische Untersuchung ist ohne Befund. Im Vergleich zu den früheren Gewichtsangaben in der Krankenakte zeigt sich jedoch, dass Duffy an Gewicht verloren hat. Seine Body Condition Score liegt heute bei 4/9, verglichen mit 5/9 bei früheren Besuchen.
  • Blut-, Urin- und Fäkalproben werden entnommen und über Nacht an ein Referenzlabor geschickt. Es werden keine Anzeichen von Darmparasiten oder Eizellen gefunden. Die Ergebnisse des serumchemischen Profils weisen jedoch auf eine leichte Panhypoproteinämie hin.

Magen-Darm- Erkrankungen

Proteinverlust-Enteropathie bei Hunden

Bei der Proteinverlust-Enteropathie (PLE) handelt es sich um ein Syndrom, das durch einen übermäßigen Verlust von Plasmaproteinen, insbesondere Albumin, über den Magen-Darm-Trakt gekennzeichnet ist.1 Meistens weist der Proteinverlust auf Erkrankungen des Dünndarms hin, die die Verdauung und/oder Aufnahme von Nährstoffen beeinträchtigen, wie z. B. eine erhöhte Schleimhautdurchlässigkeit, Lymphobstruktion oder -ruptur sowie Schleimhautulzeration oder -erosionen.2 Bei ausgewachsenen Hunden sind die häufigsten mit einer Proteinverlust-Enteropathie assoziierten Erkrankungen primäre Magen-Darm-Erkrankungen wie intestinale Lymphangiektasie, eine schwere chronische Enteropathie und intestinale Lymphome.1,3 Allerdings kann jede Magen-Darm-Erkrankung ab einem gewissen Schweregrad zu einem intestinalen Proteinverlust führen.3,4 

Hunde mit Proteinverlust-Enteropathie haben in der Regel eine ausgeprägt negative Protein- und Energiebilanz, die eine Ernährungsintervention unerlässlich macht.1 Die Ernährungsumstellung stellt eine Komponente eines konsequenten, multimodalen Ansatzes für die therapeutische Behandlung von Hunden mit Proteinverlust-Enteropathie dar.

Symbol „Darm eines Hundes“

Kernbotschaften


  • Unabhängig von der zugrunde liegenden Ursache sollte die Fettaufnahme bei Hunden mit Proteinverlust-Enteropathie auf < 4 g/100 kcal metabolisierbarer Energie [ME] reduziert werden. 
    • Die meisten Fette in Hundefutter bestehen aus langkettigen Triglyceriden (LCT), die in den Enterozyten zu Chylomikronen verpackt sind und dann über das Lymphsystem zum Ductus thoracicus transportiert werden, wo sie in den allgemeinen Kreislauf gelangen.6  
    • Die Aufnahme von langkettigen Triglyceriden erhöht den Lymphfluss und den Proteingehalt7, was zu Lymphstau, Schleimhautschäden und Proteinverlust beitragen und die klinischen Symptome verschlimmern kann.8 
    • Eine Beschränkung der Fettaufnahme verringert den Lymphfluss, reduziert die Ausdehnung der Lymphgefäße und minimiert die Proteinverluste.8 
  • Hunde mit Proteinverlust-Enteropathie können einen Mangelernährungszustand (Kachexie ) aufweisen.8 Da fettarme Diäten weniger Kalorien enthalten, können Hunde mit einem starken Gewichtsverlust von einer Diät mit den mittelkettigen Fettsäuren C8 und C10 als alternativer Energiequelle profitieren.5,8  
    • Mittelkettige Triglyceride (MCT) können einige, jedoch nicht alle langkettigen Triglyceride in der Ernährung ersetzen. Linolsäure, Alpha-Linolensäure, Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) sind langkettige und für Hunde essenzielle Fettsäuren. 
    • Mittelkettige Triglyceride werden schnell und einfach im Dünndarmlumen verdaut, ohne dass die Cholecystokinin-Sekretion stimuliert wird oder die Lipase der Bauchspeicheldrüse und Gallensäuren für ihre Aufnahme benötigt werden.5,8 
    • Die meisten mittelkettigen Fettsäuren werden schnell absorbiert und über die Pfortader direkt zur Leber transportiert.6,8 Eine geringe Menge an mittelkettigen Fettsäuren kann in Chylomikronen eingebaut und über das Lymphsystem transportiert werden, doch dies geschieht in einem erheblich geringeren Umfang als dies bei langkettigen Triglyceriden der Fall ist.
  • Wenn eine Lymphangiektasie (die an anderer Stelle detaillierter besprochen wird) die Ursache der Proteinverlust-Enteropathie ist, wird in der Regel eine hochverdauliche, fettarme oder sehr fettarme Diät (< 4 g/100 kcal ME bzw. < 2 g/100 kcal ME) empfohlen, die ausreichend Eiweiß und Kalorien liefert, um das Fortschreiten der Lymphangiektasie zu verhindern und eine Quelle für Darmentzündung (d. h. Austritt von Lymphflüssigkeit) zu beseitigen. 
  • Wenn die Proteinverlust-Enteropathie mit einer chronischen Enteropathie einhergeht (die ebenfalls an anderer Stelle detaillierter besprochen wird), sollte eine hochverdauliche Diät mit hydrolysierten oder neuartigen Proteinen, die zudem fettarm und sehr schmackhaft ist, in Betracht gezogen werden, um ernährungsbedingte Entzündungen zu reduzieren, die Proteinsynthese in der Leber zu unterstützen und verlorene Gewebeproteine zu ersetzen.1 
    • In schweren Fällen, in denen ein Ansprechen ausbleibt, kann eine aminosäurehaltige Elemementardiät leicht verfügbare Aminosäuren und kleine Peptide für die Proteinsynthese bereitstellen.1 
    • In Fällen des gleichzeitigen Auftretens einer Proteinverlust-Enteropathie mit chronischer Enteropathie können niedrige Konzentrationen an Cobalamin (Vitamin B12) im Serum auftreten, was sich negativ auf den Stoffwechsel auswirkt und die Heilung von Darmentzündungen verzögert.9 Eine parenterale Cobalaminergänzung kann erforderlich sein. 
  • Eine Supplementierung mit fettlöslichen Vitaminen (A, D, E und K) kann bei Vorliegen einer chronisch gestörten Fettaufnahme oder bei einem geringen Fettgehalt in der Nahrung erforderlich sein. 
  • Hunde mit Proteinverlust-Enteropathie sollten initial 3 bis 4 Mal pro Tag kleine Mahlzeiten erhalten, um die Nahrungsaufnahme zu erhöhen und die Nährstoffaufnahme zu verbessern. 
  • In schweren Fällen kann eine teilweise oder vollständige parenterale Ernährung angezeigt sein, um die Genesung zu fördern. 
Gesprächsstarter

„Ein wichtiger Teil der Behandlung Ihres Hundes ist eine spezielle Diät, die wenig Fett, hochverdauliche Kohlenhydrate und hydrolisierte oder neuartige Proteine enthält. Dieses neue Futter sollte dann das einzige sein, was Ihr Hund zu sich nimmt, und sollte auch für die Leckerlis verwendet werden. [Name des Hundes] muss zunächst häufigere, kleinere Mahlzeiten bekommen ꟷ 3 bis 4 pro Tag ꟷ, um die Nährstoffaufnahme zu verbessern und den Durchfall in den Griff zu bekommen.“

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So bestimmen Sie den Körperzustand eines Hundes in drei einfachen Schritten:

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Die Kot-Beurteilungstabelle von Purina ist ein praktisches, unkompliziertes Hilfsmittel, mit dem Kunden den Stuhl ihrer Haustiere beschreiben können.

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Beurteilung des Körperzustands Ihres Hundes

Beurteilen Sie den Körperzustand eines Hundes in nur drei einfachen Schritten.

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Literatur

  1. Dossin, O. und Lavoué, R. (2011). Protein-losing enteropathies in dogs. Veterinary Clinics of North America: Small Animal Practice, 41(2), 399─418. doi: 10.1016/j.cvsm.2011.02.002 
  2. Ridyard, A. (2020). Small intestine: Chronic disease. In E. J. Hall, D. A. Williams und A. Kathrani (Hrsg.), BSAVA manual of canine and feline gastroenterology (3. Ausgabe, Seite 213─223). British Small Animal Veterinary Association. 
  3. Willard, M. (2015). Canine protein losing enteropathies. Israel Journal of Veterinary Medicine, 70(3), 17─20. 
  4. Peterson, P. B. und Willard, M. D. (2003). Protein-losing enteropathies. Veterinary Clinics of North America: Small Animal Practice, 33(5), 1061─1082. doi: 10.1016/s0195-5616(03)00055-x 
  5. Craven, M. D. und Washabau, R. J. (2019). Comparative pathophysiology and management of protein-losing enteropathy. Journal of Veterinary Internal Medicine, 33(2), 383─402. doi: 10.1111/jvim.15406 
  6. Gross, K. L., Yamka, R. M., Khoo, C., Friesen, K. G., Jewell, D. E., Schoenherr, W. D., Debraekeleer, J. und Zicker, S. C. (2010). Macronutrients. In M. S. Hand, C. D. Thatcher, R. L. Remillard, P. Roudebush und B. J. Novotny (Hrsg.), Small animal clinical nutrition (5. Ausgabe, Seite 49─105). Mark Morris Institute. 
  7. Simmonds, W. J. (1954). The effect of fluid, electrolyte and food intake on thoracic duct lymph flow in unanaesthetized rats. Australian Journal of Experimental Biology and Medical Science, 32(3), 285─300. 
  8. Davenport, D. J., Jergens, A. E. und Remillard, R. L. (2010). Protein-losing enteropathies. In M. S. Hand, C. D. Thatcher, R. L. Remillard, P. Roudebush und B. J. Novotny (Hrsg.), Small animal clinical nutrition (5. Ausgabe., Seite 1077─1083). Mark Morris Institute. 
  9. Jensen, G. L., McGarvey, N., Taraszewski, R., Wixson, S. K., Seidner, D. L., Pai, T., Yeh, Y.-Y., Lee, T. W. und DeMichele, S. J. (1994). Lymphatic absorption of enterally fed structured triacylglycerol vs physical mix in a canine model. American Journal of Clinical Nutrition, 60(4), 518─524. 
  10. Gaschen, F. (2013, Januar 19─23). Approach to chronic diarrhea in dogs: Does protein-losing enteropathy warrant additional concern? [Vorlesung]. North American Veterinary Conference, Orlando, Florida. https://www.vetfolio.com/learn/article/approach-to-chronic-diarrhea-in-dogs-does-protein-losing-enteropathy-warrant-additional-concern